Verfasst von Stefan am 19th August 2008 in
Review
The Dark Knight
(Christopher Nolan, USA 2008)
Kino
Im wohl größten und erfolgreichsten Blockbuster der letzten Jahre gibt es eine Szene, in der Feuerwehrmänner alles versuchen, ein brennendes Gebäude und seine Flammen in den Griff zu bekommen. Das Gebäude ist völlig zerstört, lediglich Überbleibsel seines Metallskeletts sind noch zu erkennen. Die Szenerie ist voller Rauch und den Feuerwehrmännern scheint nicht nur deshalb der Schrecken ins Gesicht geschrieben. Diese Szene, die bereits einen großen, weil atemberaubenden Höhepunkt des Films markiert, erinnert nicht von ungefähr an die Ereignisse des 11. Septembers 2001. Dieses Datum, das nie ein Mensch vergessen wird, der an diesem Tag auch nur irgendeinem Medium folgte, war nicht nur eine Tat unproportionellen Ausmaßes, sondern markierte auch die Geburtsstunde des internationalen Terrorismus, der uns seit dem jeden Tag heimsucht. Nach dieser Einstellung Schnitt, dann steht plötzlich Batman (Christian Bale) vor diesem Trümmerhaufen, sein Cape weht im Wind, ähnlich dem Sternenbanner. Keine Frage, es ist Ground Zero und zugleich die Geburtsstunde des irrationalen Terrors, der Gotham City mit seinen 30 Millionen Einwohnern heimsucht.
Nicht, dass Gotham nie Ziel von terroristischen Attacken gewesen ist. Nur waren sie nie so unglaublich motiviert und signifikant wie in diesen Tagen. Warum das alles? Warum müssen unzählige unschuldige Menschen sterben, die zudem noch ihrer Stadt und ihrem Land dienen? Auch wenn The Dark Knight sich nicht explizit dem Glaubenskrieg verschreibt, was der Krieg gegen den Terror ja ist, so zeichnet er dennoch ein sehr düsteres, weil genaues Bild des Terrors, der die USA seit Beginn nicht nur auf den Kopf stellte, sondern ihr auch bis Heute Entscheidungen abringt, die bisweilen ihre eigenen Werte verrät. Nolans zweiter Beitrag zum Franchise ist also nicht nur der politischste Blockbuster der es überhaupt jemals auf die Leinwand schaffte, sondern auch die wohl intelligenteste Comicverfilmung seit Anbeginn der großen Welle von Comicverfilmungen. Der Joker – in der Tat eine großartige Leistung von Heath Ledger, auch wenn er in Brokeback Mountain seinen Höhepunkt hatte und der Oscar ihm wohl vergönnt bleiben dürfte – ist dabei buchstäblich das Gesicht des Terrors. Im Gegensatz zu vielen anderen Gegenspielern benötigt er keine Maske, die Fronten sind klar verteilt, der Terrorfürst ist sowieso nicht zu fassen.
Seine Wahl der Waffen, ein unglaubliches Repertoire an Messern, scheint primitiv, jenen des Staates deutlich unterlegen. Jedoch weiß er damit umzugehen, sie richtig einzusetzen und viel Schaden anzurichten. Doch der Joker verkörpert weniger einen Terrorchef als vielmehr das westliche Demokratieverständnis respektive das der Vereinigten Staaten. Fast alles, was da aus dem Mund dieses vermeintlichen Psychopathen kommt, scheint die Wahrheit zu sein, denn es bestätigt sich immer und immer wieder. "You either die a hero or you live long enough to see yourself become the villain", verkündet Staatsanwalt Harvey Dent (Aaron Eckhart) auf einer Pressekonferenz kurz nach den ersten Terroranschlägen und bringt damit pointiert eine ganze politische Richtung auf den Punkt, die ambivalenter kaum sein könnte. Was bringt man dem Terror, dem puren Hass entgegen? Welche demokratischen Mittel stehen dem Staat zur Verfügung – und wie weit darf Demokratie gehen. Egal ob Massen fliehender Menschen oder Batman, der illegal alle Mobiltelefone abhört, um die Quelle des Terrors ausfindig zu machen und das Nest auszurotten, auch in Gotham heiligt der Zeck zu Teilen die (undemokratisch beziehungsweise weit gedehnten demokratischen) Mittel.
Im Film stellt sich die Frage nach dem richtigen Mittel, undemokratisches Verhalten auf nicht-staatlicher Seite zu bekämpfen, erst gar nicht, dafür sorgt allein schon der Einsatz von nicht gerade kleinem Pathos und dem dazugehörigen, für Gänsehaut sorgenden Zimmer/Newton Howard-Bombast-Score. Egal ob Batman selbst oder DA Harvey Dent, große Reden, die Menschen überzeugen und damit gleichzeitig auch für sich und ihre Politik gewinnen, können sie alle halten. Wer aber nie selbst (unfreiwillig) Teil des Terrors war und das Ganze lediglich in den Nachrichten aufschnappt, der ist politisch natürlich vollkommen integer – denkt er zumindest. Harvey Dent, das ist kein Spoiler, dies zu sagen, zeigt, dass dies eben nicht der Fall ist. Jeder glaubt an Werte und Normen, diese zu brechen fällt schwer, doch es hängt auch von den Umständen ab, und so verändern sich Menschen bisweilen urplötzlich – auch wenn seine Figur und ihre Wandlung etwas zu unausgegoren ist. Gotham befindet sich im Ausnahmezustand, so viel ist sicher. Doch warum all der Schrecken, warum all dieses Leid? "Some men just want to watch the world burn", manchmal gibt es eben keine Rationalität hinter solchen Taten – oder sie will sich uns zumindest nicht so richtig erschließen. Clash of Civilizations nannte es Huntington.
Was in den meisten Fällen eine Fantasiewelt ist, die mit der unseren nur wenig gemein hat, ist bei The Dark Knight vollkommen anders, ja geradezu auf den Kopf gestellt. Im Prinzip ist der Film ein hochspannender, hochpolitischer und clever konstruierter Thriller, der mit einem Comic nur seine Gadgets und seinen maskierten Flattermann teilt. Der Rest ist so natürlich auch schon da gewesen, aber sicher nicht in solch einem großartigen Blockbustergewand, dem man jeden einzelnen Cent seines Millionenbudgets ansieht. Weniger überzeugend sieht hingegen der Schnitt aus, der teilweise nicht nur dilettantisch, sondern auch zu stark nach PG-13 riecht. Das fällt aber nicht weiter ins Gewicht, denn neben all den anderen Adjektiven, mit denen sich The Dark Knight in der Tat schmücken darf, ist er vor allem, und das in sehr hohem Maße, dunkel in Ton und Inszenierung. Was bei einem Sin City noch viel zu aufgesetzt und forciert wirkte, ist hier nahe der Perfektion, denn auch wenn es zahlreiche Aufkommen von comic relief gibt, so bleibt der Film dennoch überraschend zynisch und ehrlich, was primär natürlich auch seiner Politik zuzuschreiben ist.
The Dark Knight, das ist Hype, der seinem Namen gerecht wird und Blockbusterkino in seiner schönsten Form. Auch wenn die großen Vorzüge des Filmes den meisten durch die vielen anderen Schauwerte vorenthalten bleiben werden – zugegeben, audiovisuell ist der Film, bis auf den Schnitt, auch der Inbegriff und Archetyp eines Comicfilmes -, so darf er dennoch als Meisterwerk des Genres feiern lassen, denn nichts weniger ist The Dark Knight. (9/10)
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