Verfasst von Stefan am 09th Dezember 2010 in
Review

Ein Jahr haben Sebastian Junger und Tim Hetherington ein Platoon der US-Armee in Afghanistan für ihre Dokumentation Restrepo begleitet. An und für sich ist das nichts Neues, denn seit es den embedded journalism gibt, sind wir hautnahe Bilder von Truppen im Einsatz gewohnt. Junger und Hetherington ist dies bewusst, weshalb sie nicht irgendwo mit der Kamera dabei sind, sondern sich eine kleine Einheit ausgesucht haben, die im gefährlichsten Teil Afghanistans stationiert ist, dem Korengaltal. 70% aller Bomben, die über Afghanistan abgeworfen worden sind, fielen auf dieses Tal, wie es einer der Soldaten treffsicher formuliert und damit die Gefährlichkeit des Unterfangens deutlich macht. Man wird dann auch mitten ins Geschehen forciert, nachdem man die jungen Männer zuvor noch durch Amateuraufnahmen kennengelernt hat. Es ist auch der titelgebende PFC Restrepo darauf zu sehen, der in diesen zwölf Monaten das erste Opfer sein soll. Er war äußerst beliebt bei der Truppe, weshalb sie den Außenposten, der sich mitten im Niemandsland befindet, schließlich nach ihm benennen.
Was auf den ersten Blick wie aus einem x-beliebigem Kriegsfilm entnommen aussehen mag, entpuppt sich schnell als Trugschluss, denn auch wenn die Bilder der Helikopter und der Soldaten fast schon komponiert wirken mögen, so passiert doch auch vieles, was man in einem Kriegsfilm Marke Hollywood so nicht sehen würde. Das gesamte Material ist roh, man sieht den Aufnahmen an, dass sie kaum nachbearbeitet wurden, was der Intensität nur weiter zuträglich ist. Denn auch wenn man sich stets bewusst ist, dass es sich hierbei um non-fiction filmmaking handelt, so wird das Geschehen immer wieder von talking heads, den beteiligten Soldaten selbst, kommentiert. In diesen Passagen, die ob des Gesagten oftmals viel intensiver sind als die Aufnahmen selbst, haben Hetherington und Junger nur Aufmerksamkeit für das, was die Soldaten dem Zuschauer zu erzählen haben – die Kamera zeigt stets Close-Ups der Interviewten, der Hintergrund ist komplett in schwarz gehalten, so dass man nicht etwa abgelenkt wird und sich voll und ganz auf die Erlebnisberichte fokussieren kann. Es sind junge Männer, die in den 15 Monaten, in denen sie in Afghanistan dienten, alles erlebt haben, was man als junger Soldat an einem der gefährlichsten Orte der Welt nur erleben kann.
Sie erzählen vom alltäglichen Kampf gegen einen nahezu unsichtbaren Feind. Von endlosen Gefechten, die – das machen die Bilder deutlich – lediglich wie Munitionsverschwendung aussehen, da die Taliban von entfernten Bergen und Felsen angreifen. Es sind aber auch Dinge wie Langeweile, das Leben mit den Dorfbewohnern und die Verständigung mit selbigen, sowie Freundschaft und Kameradschaft zwischen den Männern, die thematisiert werden. Am schwersten fällt es den Soldaten natürlich über Verlust und Tod zu sprechen, der besonders im Korengaltal zum Alltag gehört. Die beiden Regisseure haben hier einen Moment eingefangen, der mehr ans Herz geht als die meisten Pathosszenarien aus Spielfilmen: während eines Gefechts wird einer der Männer getötet; Hetherington und Junger zeigen lediglich den Stiefel des Gefallenen, dessen Körper bereits bedeckt wurde. Einer seiner Kameraden – ein gestandener Mann – bricht währenddessen in Tränen aus, ist praktisch kampfunfähig. Es ist schon fast ein traurig-schöner Kontrast zu den Momenten, in denen sich die Männer als beinharte Soldaten porträtieren lassen, die erst in Italien, wo die Interviews aufgenommen wurden, emotional rekapitulieren können, was sie eigentlich erlebt haben.
Ein anderer dieser Momente ist eine Szene, in der einer der Männer seine Kameraden mit dem Song 'Touch Me' überrascht, die allesamt oberkörperfrei in die Baracke hereintanzen, um der Aussage des Songs Folge zu leisten. Es ist eine Szene, in der sowohl die Kameradschaft, als auch die Langeweile deutlich wird, die die Soldaten verbindet. Ferner zeigt es auch einen weiteren Kontrast zu all den Gefechten, derer wir im Laufe der 90 Minuten Zeuge werden. Diese sind zwar alles andere als leicht zu verfolgen, da sie viel zu durcheinander sind, aber genau das ist Krieg eben: er ist kein durchkomponiertes Kugelballet, sondern ein einziges Chaos, dem es Herr zu werden gilt. Es ist daher auch eine folgerichtige Entscheidung, dass die beiden Regisseure die Soldaten erläutern lassen, wie die größte Mission während dieses einen Jahres von statten ging, bevor sie die Bilder dieser zeigen. Restrepo ist weder politisches Statement zum Konflikt in Afghanistan, noch versucht er irgendwelche Lösungsansätze zu finden. Tim Hetherington und Sebastian Jungers Film ist lediglich ein intimer Einblick in den soldatischen Alltag, samt all seiner emotionalen und persönlichen Folgen. So bringen es die beiden im Booklet dann auch sehr schön auf den Punkt:
"Their lives were our lives: we did not sit down with their families, we did not interview Afghans, we did not explore geopolitical debates. Soldiers are living and fighting and dying at remote outposts in Afghanistan in conditions that few back home can imagine. Their experiences are important to understand, regardless of one’s political beliefs. Beliefs are a way to avoid looking at reality. This is reality." (8.5/10)
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